Neues Intensivpflegegesetz im Gesundheitsausschuss
Junge Menschen mit einer schweren oderlebensverkürzenden Erkrankung nehmen in vielfältiger Weise am gesellschaftlichenLeben teil. Sie besuchen Kindergärten oder Schulen und sind als junge Erwachsene in Werkstätten tätig, studieren an Universitäten oder managenselbständig ihre Pflegeund Versorgung. Häufig ist hierbei die ständige Begleitung durch einen Intensivpflegedienst erforderlich. Fast immer sind auch die Eltern in diePflege der jungen Menschen stark eingebunden und gewährleisten die aufwändige Organisation des Alltags.
„Einzustimmungswürdiger Gesetzentwurf muss den familiären und sozialen Bindungenbesonders von jungen Menschen daher in angemessener Weise Rechnung tragen“sagt Marcel Globisch, Leiter für Inhalte und Entwicklung im DeutschenKinderhospizverein e.V.
Die Bundesregierung plant, zur Sicherung der Versorgungsqualität und zur Gewährleistung eines effizienten Personaleinsatzes,einen Sicherstellungsvorbehalt einzuführen. Insbesondere Menschen, die im eigenen Zuhause gepflegt werden, könnte der Leistungsanspruch verweigert werden, wenn die Versorgung nicht tatsächlich und dauerhaft nachgewiesen werden kann. Die Folge wäre eine zwangsweise Verlegung in stationäre Einrichtungen. Dahier mit nicht nur der familiäre Zusammenhalt gefährdet, sondern auch der Verlust von Selbstbestimmung und Teilhabemöglichkeiten verbunden ist, schürt die geplante Regelung bei Betroffenen und ihren Angehörigen größte Ängste. Wenn die Krankenkassen den Versicherten wegen Leistungsdefiziten der Pflegedienste die Versorgung im gewünschtenLebensumfeld verweigern können, wird das Vertrauensverhältnis zwischen Kostenträgern und Versicherten untergraben. Dadurch entstehen bei den Beteiligten Vorbehalte, festgestellte Formen von Unterversorgung und Leistungsmissbrauch offen anzusprechen.
Insbesondere bei jungenMenschen, die seit dem Kindesalter auf intensivmedizinische Pflege angewiesen sind, ist ein Leben im familiären Umfeld in den meisten Fällen die von den Familien gewünschte und zugleich beste Form der Regelversorgung. Aber auch hier soll zukünftig mindestens einmal im Jahrgeprüft werden, ob die häusliche Intensivpflege weiterbewilligt werden kann. Krankenkassen könnten so durch die vorgesehenen Kontrollen abschließend darüberentscheiden, ob ein Kind weiterhin bei seinen Eltern aufwachsen darf, einen Kindergarten oder eine Schulebesuchen kann und nach dem Ende der Schulzeit in eineAusbildung oder Werkstatttätigkeit wechseln kann. „Ein solcher Eingriff steht in erheblichem Widerspruch zum geltendenSozialrecht und dem erst im Januar 2020 vollständig in Kraft getretenenBundesteilhabegesetz“ warnt Markus Behrendt, Vorsitzender von IntensivLeben e.V. und selbst betroffener Vater.
Betroffene Familien befürchten nun, dass sie sich zukünftig einem solch massiven Zugriff auf ihre Persönlichkeitsrechte nur entziehen können, wenn sie gegenüber dem zur Kontrolle eingesetzten medizinischen Dienst einwilligen, bei personellen Engpässen unbegrenzt und kostenfrei Ersatzpflege zu leisten. Da die Familien aber durch regelmäßige Grundpflege, ständig erforderliche Assistenzleistungen und vielfältige administrative Aufgaben ohnehin in höchstem Maße belastet sind, gefährdet die vorgesehene Regelung nicht nur die Sicherheit der Patienten, sondern das gesamte Sozialgefüge der Familien - einschließlich Einkommen, Arbeitsplatz,Gesundheit sowie die Entwicklung der erkrankten wie auch der gesunden Geschwister.
Es ist bekannt, dass die Krankenkassen erhebliche Probleme haben, ausreichend Pflegedienste mit qualifiziertem Fachpersonal für die ambulante Intensivpflege vertraglich zu binden. Durch die neu vorgesehene Möglichkeit, die Pflege in der eigenen Häuslichkeit zugunsten einer stationären Unterbringung zu verweigern, werden die Kostenträger jedoch aus der Verantwortung entlassen, Leistungsanbieter undderen Fachkräfte angemessen zu vergüten,um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. „Maßnahmen, um das bestehende Lohngefälle von durchschnittlich 36% zwischen stationärer und ambulanter Pflege auszugleichen, sind in dem Gesetzentwurf nicht enthalten“ beklagt Behrendt. Stattdessen wurde bei der 1. Lesung im Bundestag am 27. Mai 2020 angekündigt, künftig mehr Kontrollkräfte der Medizinischen Dienste angemessen zu qualifizieren. Hier trägt der vorliegende Gesetzentwurf nach Meinung von Experten nicht zu einer Stärkung der ambulanten Intensivpflege bei, sondern befördert das Ausbluten einer gewachsenen und in den meisten Fällen funktionierenden Versorgungsstruktur.
„Ein zustimmungswürdiger Gesetzentwurf zur Stärkung der ambulanten Intensivpflegemuss daher zwingend insbesondere für junge Menschen eine verbindlicheLeistungszusage am gewünschten Lebensort enthalten“ sagt Globisch. Die notwendige Prüfungund Sicherstellung derVersorgungsqualität dürfe nicht mit einer drohenden Leistungsverweigerung gegenüber den Versicherten verknüpft werden.
Der Deutsche Kinderhospizverein e.V. wird am 17.06.2020 an der Anhörung im Ausschuss für Gesundheit teilnehmen. Die endgültige Verabschiedung des Gesetzes ist im Bundestag noch vor der Sommerpause Anfang Juli geplant.
Der Deutsche Kinderhospizverein e.V. (DKHV e.V.) wurde 1990 von betroffenen Familien gegründet. Er thematisiert die Lebenssituation,das Sterben und den Tod von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit einer lebensverkürzenden Erkrankung. Der DKHV e.V. ist Wegbereiter der Kinderhospizarbeit in Deutschland. Mit ambulanten Kinder- und Jugendhospizdiensten an 30 Standorten bundesweit begleitet und unterstützt der Verein Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit einer lebensverkürzenden Erkrankung und deren Familien.
Der DKHV e.V. mit Sitz in Olpe (NRW) beschäftigt über 130 hauptamtliche und mehr als 1.000 ehrenamtliche Mitarbeitende. Unter dem Dach des DKHV e.V. bietet die Deutsche Kinderhospizakademie jährlich mehr als 50 Seminar-, Begegnungs- und Bildungsangebote für betroffene Familien, ehrenamtliche Begleiter und Interessierte an. Es ist die Aufgabe des Vereins, die Kinder- und Jugendhospizarbeit undderen Strukturen zu stärken.
Der Verein IntensivLeben ist ein interdisziplinäres Netzwerk aus ehrenamtlich tätigen Fachkräften und betroffenen Familien. Im Raum Nordhessen und angrenzenden Regionen unterstützt er junge Menschen, die langfristig auf Intensivpflege angewiesen sind. Ziel ist es, die Betroffenen mit ihrenFamilien zu begleiten, ihre Lebensqualität zu verbessern und ihnen die aktive Teilhabe am Leben zu erleichtern. Hierfür unterhält der Verein eine Beratungsstelle und organisiert inklusive Kulturveranstaltungen.
Um intensivpflichtigen jungen Menschen bei Erreichen des Erwachsenenalters eine langfristige Lebensperspektive zu eröffnen undAngehörigen eine dauerhafte Entlastung zu ermöglichen, arbeitet der Verein ander Etablierung von Wohnformen und Versorgungsangeboten, die dem besonderenBedarf der Betroffenen gerecht werden.
Im November 2018 wurde IntensivLeben von Hubert BurdaMedia für seine Arbeit mit einem Bambi in der Kategorie Stille Heldenausgezeichnet.
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